Montag, 16. April 2012

Poppingas Alte Bäckerei. Sielstraße, Greetsiel.

In Ostfriesland wird Tee nicht einfach getrunken, sondern zelebriert. Dass diese Tradition auch heute noch ausgeübt wird, macht der durchschnittliche Teeverbrauch der Ostfriesen deutlich. Während der normale Deutsche etwa 250g Tee im Jahr verbraucht, benötigen sie 2,5kg. Pro Kopf. Im Jahr. Man wundert sich ein wenig, dass zwischen Emden und Wilhelmshaven nicht alle 250m ein Toilettenhäuschen steht. Aber nun zur Teezeremonie, die nicht nur zur Hauptteezeit um 15 Uhr, sondern bis zu vier Mal am Tag durchgeführt wird, u.a. am Vormittag zum Elführtje. Dabei wird die Teekanne mit kochendem Wasser zum Vorwärmen ausgespült, bevor der schwarze Tee ohne Filter oder Tee-Ei direkt in die Kanne gegeben wird (ein Teelöffel pro Person und einer für die Kanne) und man sie mit kochendem Wasser füllt. Bevor man den Tee in die Tassen gießt, gehört auf ihren Boden ein Kluntje, ein großes Stück Kandis, am besten weiß.



Mit der schönste Augenblick der Zeremonie ist wohl die Begegnung von heißem Tee und Kandis, gut hinhören! Dieser wird dabei durch ein Sieb (gibt es auch als Einsatz für den Kannenauslauf) aus der Kanne gegossen, die danach auf ein Stövchen kommt.
Gefüllt werden die Tassen übrigens nur zu zwei Dritteln, das lässt den Tee schneller auf Trinktemperatur abkühlen und hat noch einen weiteren Grund. Ostfriesischer Tee wird am besten in drei Schlucken getrunken. Warum das so ist, wird durch den letzten Zeremonie-Schritt klar: Mit einem kleinen Löffel lässt man etwas Sahne langsam und in einer kreisförmigen Bewegung gegen den Uhrzeigersinn – schließlich soll die Zeit beim Tee Trinken angehalten werden – in die Tasse. Wenn man ein wenig Übung hat, entstehen dabei Wulkje, kleine Wölkchen aus Sahne, die langsam nach oben steigen.



Deshalb schmeckt der erste Schluck eher sahnig, der zweite Schluck ist das starke Aroma des schwarzen Tees pur und der letzte Schluck verdrängt sofort alles Bittere mit der Süße des Zuckers. Und ist die Tasse leer, geht es von vorne los, so werden bei der Zeremonie mindestens drei Tassen getrunken, was bei den kleinen, nicht vollständig gefüllten Tässchen aber nicht schwierig ist.
Wenn man bei Ostfriesen zu Gast ist, wird einem übrigens so lange Tee nachgeschenkt, bis man seinen Teelöffel in die Tasse stellt. Diese Art des Teetrinkens haben wir mit großem Vergnügen in Poppingas Alte Bäckerei in Greetsiel zelebriert, was auch der perfekte Ort dafür ist.



Neben einer kaum nachbitternden Teesorte und fürs Wölkchen steigen Lassen ausgezeichneten, etwas dickflüssigeren Sahne versetzt einen das Café, das nebenbei noch ein Museum alter Wohn- und Gewerbekultur ist, selbst in eine andere Zeit. Direkt am Eingang wird man von der alten Ladeneinrichtung begrüßt und die Teestube selbst sieht wie ein Wohnzimmer des 19. Jahrhunderts aus, mit Ofen, Butzenbetten und gemütlichen Stühlen.



Nebenbei haben wir – wie sollte es auch anders sein – noch ein Stück Kuchen verzehrt. Lauras Orangen-Mohn-Kuchen war genauso groß und sättigend wie mein Apfelkuchen (angeblich nach Oma Poppinga herself) und passte ausgezeichnet zum Vergangenheitsgefühl, weil er liebevoll hand- und hausgemacht schmeckte, so als wären diese Küchengeräte noch in Benutzung:


Wenn ihr in nächster Zeit in der Nähe von Greetsiel sein solltet, lasst euch nicht von Reiseführereinträgen über das angeblich von Touristen überfüllte Café abschrecken, Poppingas Alte Bäckerei ist viel zu gemütlich und klein, um zu unruhig zu werden.


















Sielstraße 21
26738 Greetsiel